"Zeig mir, wie du schreibst, und ich sag dir, wer du bist". Die Graphologie geht davon aus, dass das Schriftbild einer Person Aufschluss über ihren Charakter gibt. Denn für den Graphologen ist Schrift eine Körpersprache, die sich deuten lässt.
Graphologen sagen, dass es sich bei der Schriftpsychologie um gesammeltes Wissen und Erfahrungen handelt, deren Richtigkeit sich immer wieder bestätigt. Kritiker nennen es Pseudowissenschaft oder gleich Hokuspokus. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die einen Zusammenhang zwischen Schriftbild und Charakter zweifelsfrei belegen.
Erst vor rund hundert Jahren hat sich die Graphologie in Europa ausgebreitet. Seitdem ordnen Graphologen bestimmten Schriftmerkmalen spezifische Eigenschaften zu. In den 1980er-Jahren war die Graphologie weit angesehener als heute. Damals gab es fast kein Bewerbungsschreiben, dem nicht ein handschriftlicher Lebenslauf beigefügt werden sollte. Naheliegend ist es schon, dass die Handschrift ebenso etwas über einen Menschen auszusagen vermag, wie Körperhaltung oder Mimik. Selbst als Laie vermutet man hinter einer kindlichen Schrift eine eher unreife, unsichere Persönlichkeit und hinter ausgreifenden Schriftzügen einen selbstbewussten Menschen.
Das Deutungsrepertoire eines Graphologen ist dabei um ein vielfaches differenzierter. Ein Graphologe betrachtet zunächst den Gesamteindruck der Schrift und analysiert dann die einzelnen Merkmale minutiös. Ein Merkmal separat betrachtet, sagt noch nicht viel aus. Erst wenn anschließend die einzelnen Details zusammenfließen, kann eine Deutung erfolgen.
Alles an einer Schrift wird einer Prüfung unterzogen: Größe, Richtung und Neigungsgrad, Verbindung der Buchstaben, Regelmäßigkeit, Zeilenabstand etc. Schreibt jemand nach rechts geneigt, steht das eher für eine offene, kommunikationsfreudige Persönlichkeit. Im Gegensatz dazu signalisiert die nach links geneigte Schrift eher Zurückhaltung. Aufrechte Buchstaben sind typisch für einen Kopfmenschen. Ein verschnörkeltes Schriftbild deutet auf den Wunsch zur Selbstdarstellung hin, wohingegen ein klares Schriftbild mit einem unkomplizierten Menschen in Verbindung gebracht wird. All dies muss dann wieder im Zusammenspiel mit all den anderen Merkmalen betrachtet werden, um eine Deutung zu ermöglichen.
Graphologen kommen heute noch zum Einsatz, um Bewerbungsschreiben zu analysieren. Auch um den Charakter eines potenziellen Heiratskandidaten zu entschlüsseln, wird häufig ein Gutachten angefordert. Da Graphologe kein geschützter Beruf ist, darf sich im Prinzip jeder so nennen. Wer sich für eine Ausbildung interessiert, kann bei verschiedenen Anbietern einen Fernlehrkurs absolvieren.
Ob man der Graphologie als Wissenschaft vertraut oder nicht, bleibt letztendlich jedem selbst überlassen. Wer neugierig ist, kann seine Handschrift im Internet einer Kurzdeutung unterziehen. Vergleichbar mit einem Gutachten ist dies sicher nicht, aber auf jeden Fall einen Versuch wert.
aktualisiert am 16.05.2012