Die Bulimie (Bulimia nervosa) gehört zu den Essstörungen und wird auch Ess-Brech-Sucht genannt. Betroffene haben Anfälle von Heißhunger und essen daraufhin übermäßig viel und kalorienreich. Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, übergeben sie sich aber kurz danach eigenmächtig. Diese Vorgänge wiederholen sich, abwechselnd treten eine „Fresslust", dann das Erbrechen und schließlich eine Hungerzeit auf. Einige körperliche und psychische Schäden können die Folge der Bulimie sein. Frauen sind weitaus häufiger betroffen als Männer. Ein Grund für die Bulimie ist eine krankhafte Angst vor der Gewichtszunahme. Patienten stecken sehr viel Aufwand und Zeit in ihr krankhaftes Essverhalten. Die Behandlung erfolgt vor allem durch Psychotherapie, insbesondere Verhaltenstherapie. Die Bulimie ist im Übrigen keine Magersucht (Anorexie), bei welcher immer nur sehr wenig gegessen wird. Betroffene mit Bulimie sind in der Regel normalgewichtig (Magersüchtige sind untergewichtig).
Die Bulimie (Ess-Brech-Sucht) kann durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren bedingt sein. Einflüsse durch das Umfeld, die Psyche, durch biologische Gegebenheiten im Gehirn sowie wohl auch durch die Gene gehen bei der Entstehung der Bulimie mit ein. Die Gesellschaft mit ihrem dünnen Schönheitsideal führt bereits dazu, dass insbesondere jüngere Frauen ein niedriges Körpergewicht haben wollen. Das Körperschema wird verändert wahrgenommen, so dass sich auch schlanke Patienten zu fett fühlen. Zudem besteht eine Störung darin, das Sättigungs- und Hungergefühl richtig zu spüren.
Einige Gegebenheiten in der Familie der Betroffenen können der Entwicklung einer Bulimie förderlich sein. Oft handelt es sich um sehr leistungsorientierte Eltern, während es nicht möglich ist, den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Probleme können in diesen Familien nicht ehrlich mitgeteilt werden, sondern müssen von jedem selbst bewältigt werden. Besonders wenn Mahlzeiten nicht vorrangig zum Zweck der Nährstoffzufuhr, sondern auch belohnend oder bestrafend eingesetzt werden, kann sich ein abnormes Essverhalten entwickeln. Konflikte innerhalb der Familie können die Bulimie weiter begünstigen. Einige mussten einen Missbrauch in der Familie erleiden.
Biologische Störungen im Gehirn spielen oft ebenfalls eine Rolle. Die Signalweiterleitung durch Botenstoffe ist bei Menschen mit Bulimie oft so verändert, dass die Sättigung beeinflusst ist. Auch die Vererbung kann mitverantwortlich sein. Das Risiko für eine Essstörung beziehungsweise Bulimie ist höher, wenn bereits ein Verwandter betroffen war.
Die Bulimie oder Ess-Brech-Sucht macht sich hauptsächlich dadurch bemerkbar, dass Betroffene Anflüge von Heißhunger haben und sich anschließend übergeben. Die Fressanfälle kehren häufig wieder, können aber durch mehr oder weniger große Zeitabstände voneinander getrennt sein. Menschen mit Ess-Brech-Sucht haben große Angst, zu viel Gewicht anzusetzen. Sie sind auf die Nahrungsaufnahme und auf die Gewichtskontrolle fixiert. Sie beschäftigen sich ständig mit Diäten, Kalorien und mit der Traumfigur. Viele von ihnen sind mit dem Gewicht im Normalbereich, nur einige Betroffene bringen zu wenig Kilos auf die Waage. Die Anfälle kommen meist einige Male in der Woche vor, teils jeden Tag oder noch viel öfter. Frauen sind von der Ess-Brech-Sucht viel häufiger betroffen als Männer (Geschlechterverhältnis etwa 10:1).
Gegessen wird bei solchen Anfällen vor allem das, was den Betroffenen besonders gut schmeckt und viele Kalorien enthält: Fettreiche und kohlenhydratreiche Kost. Beispiele sind Süßspeisen, Chips, Torte, Schokolade, Pizza. Viele plündern in ihrer Attacke gewissermaßen den Kühlschrank und suchen nach mehr. Betroffene können sich insbesondere während der Nahrungsorgien nicht selbst zügeln. In manchen Attacken nehmen sie extrem viele Kalorien zu sich.
Um die Fressattacken wieder auszugleichen, führen Bulimie-Kranke nach einem solchen kalorienreichen Essen selbst ein Erbrechen herbei. Sie stecken sich den Finger oder die Zahnbürste in den Hals, um den Würgereiz auszulösen. Das kann sogar zu leichten Verletzungen an der verwendeten Hand führen. Wird das Erbrechen immer wieder selbst ausgelöst, so kann es irgendwann zum Selbstläufer werden. Viele Menschen mit Bulimie sind bereits so weit, dass sie sich ohne Hilfsmittel oder schon im Reflex übergeben können.
Das wiederholte Erbrechen führt auf Dauer zu körperlichen Schäden. Die gerade verschlungenen Lebensmittel werden zusammen mit dem sauren Magensaft ausgespien. Durch die Säure werden die Speiseröhre, die Mundschleimhaut und die Zähne angegriffen. Auch der Magen selbst wird in Mitleidenschaft gezogen. Das Übergeben kann zu Schmerzen, Blutungen, Narben oder sogar zu einem gefährlichen Durchbruch der Organwand zur Leibeshöhle hin führen. Schwere Schäden kann die Magensäure auch in den Atemwegen und der Lunge verursacht werden. Weil beim Erbrechen vermehrt Säure und Elektrolyte aus dem Körper gelangen, können Herzrhythmusstörungen oder eine Verstopfung vorkommen. Es kann zudem zu einem Nährstoffmangel kommen, der unter anderem eine Osteoporose oder ein Ausbleiben der Regelblutung hervorrufen kann.
Neben dem Erbrechen werden nicht selten weitere Maßnahmen versucht, um das Gewicht zu senken beziehungsweise zu halten. Zwischen den Anfällen nehmen Betroffene oft nur sehr wenig Nahrung zu sich oder fasten sogar. Häufig schlucken die Betroffenen Abführmedikamente, Appetithemmer oder auch Mittel, die die Wasserausscheidung beschleunigen (Diuretika). Manche machen Sport im übertriebenen Maße, um die Kalorien zu verbrennen.
In der Folge der Anfälle fühlen sich die Betroffenen schuldig und schämen sich oft selbst für ihr Verhalten. Das kann zu weiteren psychischen Auswirkungen führen wie zu einer Depression oder sogar einer Persönlichkeitsstörung. Patienten geraten in einen Teufelskreis der Verheimlichung. In schweren Fällen ziehen sich die Patienten aus dem sozialen Leben zurück. Manche bekommen sogar Geldschwierigkeiten.
Der Arzt stellt die Diagnose einer Bulimie nach einer Reihe von Kriterien. Zentral ist das intensive Untersuchungsgespräch zwischen Arzt und Patient, die Anamnese. Vielfach ist eine Befragung auch von Familienmitgliedern, Partner oder Freunden angebracht. Diese haben eine andere Sicht auf die Dinge und können Zusammenhänge aufdecken, die der Patient verschweigt. Spezielle Tests und Fragebögen können angewendet werden.
Eine körperliche Untersuchung muss ebenfalls durchgeführt werden. Wichtig ist das Körpergewicht beziehungsweise der Body-Mass-Index (BMI, Körper-Masse-Index). Mund, Zähne und Schlund sowie die Hände müssen beurteilt werden. Weitere Untersuchungsmaßnahmen sind die Blutentnahme, die unter anderem der Bestimmung von Salzen dient, oder auch ein EKG (Elektrokardiogramm, Herzstrommessung), um mögliche Rhythmusstörungen aufdecken zu können.
Zunächst einmal muss die Ess-Brechsucht von anderen Essstörungen unterschieden werden. Eine Magersucht (Anorexie) findet meist ohne Essanfälle statt, und die Betroffenen sind untergewichtig. Eine andere Störung ist das Binge Eating, das im Prinzip eine Bulimie ohne die Brechsucht darstellt. Daneben muss unterschieden werden, ob bestimmte psychische Störungen (z. B. Depressionen) durch die Ess-Brech-Sucht zustande gekommen sind oder einen anderen Grund haben.
Anders als bei der Magersucht (Anorexie) kann eine Ess-Brech-Sucht (Bulimie) oft ohne einen längeren Klinikaufenthalt behandelt werden. Dies ist aber dann erforderlich, wenn gesundheitliche Folgeschäden vorhanden sind oder die Behandlung außerhalb der Klinik nicht erfolgreich ist. Eine Krankheitseinsicht und gute Eigenmotivation des Patienten ist erforderlich. Wesentliches Mittel ist die Psychotherapie, bei der unter anderem eine Verhaltenstherapie vorgenommen wird, ferner die Ernährungsberatung, teils können auch Medikamente notwendig werden. Die körperlichen Schäden durch das häufige Erbrechen müssen gegebenenfalls auch behandelt werden.
Die Psychotherapie kann alleine oder sinnvollerweise zusammen mit Familienangehörigen durchgeführt werden. Es handelt sich meist um eine Verhaltenstherapie. Der Betroffene lernt allgemein den Umgang mit seinem Alltag. Er soll bewusst seine Bedürfnisse wahrnehmen. Die Kommunikation zu den Mitmenschen soll verbessert werden. Ein Plan kann helfen, dem Betroffenen mehr Struktur zu geben. Oft ist es nützlich, statt des übermäßigen Essens andere Maßnahmen auszuüben, mit denen der Patient sich Erleichterung verschaffen kann. Außerdem wird dem Betroffenen deutlich gemacht, dass er seinen Körper normal wahrnimmt und keine ausgeprägte Schlankheit braucht, um von anderen Menschen respektiert und gemocht zu werden.
Patienten lernen in der Behandlung, sich ein normales Verhalten gegenüber den Mahlzeiten anzueignen. Die nachteiligen Angewohnheiten (Essattacken, Erbrechen, weitere Maßnahmen zur Gewichtsreduktion) sollen beseitigt werden. Dafür wird ein regelmäßiges Essen normaler Portionen angestrebt. Das Körpergewicht soll nicht mehr schwanken.
Auch Medikamente können gelegentlich erforderlich sein, beispielsweise Mittel gegen eine begleitend auftretende Depression (Antidepressiva). Weitere Möglichkeiten bieten Selbsthilfegruppen oder auch kreative Therapiemethoden (Kunsttherapie, Musiktherapie).
Mit einer geeigneten Therapie stehen die Chancen gut, dass die Bulimie beseitigt oder zumindest gebessert werden kann. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen ist unter der Behandlung mit einem Ende der Bulimie zu rechnen. Einige weitere Patienten profitieren zumindest teilweise von der Behandlung, aber bei etwa 20 bis 40 Prozent bleibt die Störung bestehen. Wenn die Behandlung nicht erfolgreich war, droht die Bulimie chronisch zu werden. Dann kann es zu negativen körperlichen und psychischen Auswirkungen kommen.
Letzte Aktualisierung am 27.05.2021.