Ein Untersuchungsgespräch ist ein unentbehrliches Mittel zur Diagnose von psychischen Störungen. Dieses Gespräch zwischen dem Psychiater und dem Patienten wird auch als Anamnese bezeichnet. Das Untersuchungsgespräch beinhaltet die momentane Befindlichkeit und die Beschwerden, die Vorgeschichte des Patienten und die Besonderheiten des Lebensumfeldes. Durch gezieltes Fragen und die Aussagen des Patienten bekommt der Arzt Hinweise auf mögliche psychische Erkrankungen. Häufig nehmen auch Angehörige des Patienten an dem Untersuchungsgespräch teil, so dass der Fall nicht nur durch den Betroffenen dargestellt werden kann.
Das Diagnosegespräch ist ein Mittel, das praktisch bei allen Patienten durchgeführt wird. Diese Anamnese ist fast immer eine wertvolle Quelle für den Arzt, um Informationen zu erhalten, welche Störungen vorliegen und welche Ursachen sie haben. Ein Untersuchungsgespräch findet nicht nur in der Psychiatrie, sondern in praktisch allen medizinischen Fachgebieten statt. Häufig beinhaltet es auch dort psychische Aspekte.
Das Untersuchungsgespräch folgt oft einem bestimmten Schema, das vom jeweiligen Arzt ausgearbeitet wurde. Der Ablauf richtet sich aber auch nach den Symptomen und der Art der Störung. Am Anfang des Gesprächs steht meist die Schilderung des Patienten selbst, welche Beschwerden vorhanden sind. Der Arzt hört dem Patienten zunächst zu, leitet das Gespräch aber immer mehr und hakt bei wichtigen Aspekten nach. Er ergründet, um welche Störung es sich handelt und aus welchen Umständen sie sich entwickelt hat. Akut gefährdende Umstände müssen vom Arzt erkannt oder ausgeschlossen werden, beispielsweise eine mögliche Selbstmordabsicht oder riskantes Verhalten anderen gegenüber.
Dann erfragt der Psychiater die Vorgeschichte des Patienten aus persönlicher, familiärer und medizinischer Sicht. Vorherige und aktuelle bekannte Krankheiten des Körpers und der Seele werden in Erfahrung gebracht. Gerade in der Psychiatrie ist es von großer Bedeutung, auch die sozialen Lebensumstände zu beleuchten. Interessant sind jetzige und frühere Verhältnisse innerhalb der Familie, aber auch in der Schule, unter Freunden oder bei der Arbeit. Konflikte als Kind können für die psychische Diagnostik sehr bedeutend sein, ebenso wie die Art der Erziehung durch die Eltern. Psychische Störungen von Angehörigen, auch Selbstmordversuche, Alkohol- und Drogenkonsum sowie kriminelle Vergehen, können Hinweise zur Diagnose geben.
Ein wichtiges Mittel im Untersuchungsgespräch sind die strukturierten Interviews. Dabei gibt es das halbstrukturierte Interview, das inhaltlich festgelegte Fragen umfasst, dann das tatsächliche strukturierte Interview, bei dem auch die Reihenfolge feststeht, sowie das standardisierte Interview mit genauem Schema zur Auswertung. Beispiele für strukturierte Interviews sind die Fragebögen SKID (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV) und DIPS (Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen). Es wurden eine Vielzahl weiterer strukturierter Fragebögen entwickelt, die teils für spezifische psychische Störungen geeignet sind. Auch gibt es bestimmte strukturierte Interviews für Kinder oder Jugendliche.
Im Rahmen des Untersuchungsgesprächs nimmt der Arzt ebenfalls eine Verhaltensbeobachtung vor, das heißt, dass er auf Besonderheiten des Verhaltens des Patienten achtet. Oft ist es wichtig, die psychischen Funktionen zu erfassen. Damit ist gemeint, Aspekte wie die geistige Leistungsfähigkeit, die Orientierung, die Stimmungslage oder das Aktivitätsniveau zu testen. Hinweise für psychische Störungen können auffällig werden.
Die Befragung des Arztes richtet sich in vielen Fällen auch an die Angehörigen oder befreundete Personen. Auf diese Weise können Besonderheiten erfasst werden, die der Patient selbst nicht merkt oder nicht mitteilen will oder kann. Das Gespräch wird teils abseits vom Patienten, teils zusammen mit ihm abgehalten.
Anhand der Ergebnisse des Untersuchungsgesprächs entscheidet der Arzt, ob weitere Untersuchungen erforderlich sind.
Letzte Aktualisierung am 07.06.2021.