Eine Zwangsstörung ist ein ausgeprägter innerer Zwang, eine bestimmte Aktion auszuführen oder an etwas Bestimmtes zu denken. Der Betroffene merkt selbst, dass seine Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken übertrieben oder unnötig sind. Dennoch muss er sie von innen heraus ausführen. Zu den Zwangsstörungen gehören beispielsweise Waschzwang, Kontrollzwang oder immer wiederkehrende Gedanken an mögliche Katastrophen. Zwangsstörungen werden häufig erst spät entdeckt, besonders schwer sind Zwangsgedanken zu diagnostizieren. Die Behandlung von Zwangsstörungen kann über eine Psychotherapie (z. B. Verhaltenstherapie) geschehen, teils werden Medikamente gegeben. Zwangserkrankungen sind wie die Angststörungen ein Teil der Krankheitsbilder, die als Neurosen zusammengefasst werden.
Bei der Entstehung von Zwangsstörungen kommen mehrere Einflüsse zum Tragen. Psychologen haben Modelle entwickelt, mit denen sich die Zwangsstörungen erklären lassen. Auf biologischer Ebene sind Änderungen im Stoffwechsel im Gehirn verantwortlich. Der Botenstoff Serotonin ist nicht in normaler Menge vorhanden. Dies führt dazu, dass dauernd das Gefühl der Alarmierung entsteht. Der Patient entwickelt eine Zwangsstörung. Eine Veranlagung wird möglicherweise schon durch das Erbgut weitergegeben.
Vielfach ist eine Zwangsstörung die Folge von Angst. Der Zwang ermöglicht es, die Angst zu kompensieren. Ein Beispiel ist der Kontrollzwang, der zum Abbau der Angst, etwas zu übersehen, dient. Viele Zwangskranke haben eine perfektionistische Persönlichkeit und somit die Angst, etwas verkehrt zu machen. Nicht selten gibt es mit einem schweren Lebensereignis (Psychotrauma etwas nach Tod eines Angehörigen) einen Auslöser für die Zwänge. Stress kann ebenfalls eine Rolle spielen.
Bei den Zwangsstörungen lassen sich Zwangsgedanken und die vergleichsweise ein wenig selteneren Zwangshandlungen unterscheiden. Die zwanghaften Gedankeninhalte oder Handlungen findet der Betroffene selbst nicht sinnvoll, muss sie aber von innen heraus ausführen. Eine Zwangsstörung liegt definitionsgemäß dann vor, wenn das Problem über mindestens zwei Wochen an den meisten Tagen über eine Stunde auftritt.
Bei den Zwangsgedanken kommt es dazu, dass bestimmte Gedanken ungewollt andauernd wiederkommen. Solche Zwangsgedanken sind oft schlimm oder moralisch nicht in Ordnung. Auch wenn der Patient die Gedanken verhindern will, kommen sie in der Regel trotzdem. Übliche Zwangsgedanken sind beispielsweise Befürchtungen, dass ein Unglück passieren könnte, Zweifel (Selbstzweifel) oder sich im Kreis drehende Grübeleien.
Zwangshandlungen sind Maßnahmen, die der Betroffene aus einem starken, abnormen Drang heraus ausführt. Er investiert viel Zeit und Kraft in die Handlungen. Wenn der Zwang ausgeübt wird, ist der Patient für den Moment erleichtert. Beim Kontrollzwang muss der Betroffene ständig etwas kontrollieren, z. B. ob er den Herd ausgeschaltet hat. Eine andere mögliche Zwangshandlung ist der Waschzwang, bei dem der Betroffene sich aus Angst vor Krankheiten äußerst häufig und lange waschen oder duschen muss. Weitere mögliche Zwangshandlungen sind der Ordnungszwang, der Putzzwang, der Zählzwang und der Berührzwang.
Zwangsimpulse sind Zwangshandlungen, die allerdings nicht ausgeführt werden. Betroffene haben Angst davor, sie auszuüben, aber die Gedanken drängen sich immer wieder auf.
Eine Zwangsstörung belastet das Leben des Patienten stark. Unter der Störung können die sozialen Kontakte oder der Beruf leiden. Die Betroffenen schämen sich oftmals selbst und ziehen sich zum Teil zurück. Depressionen können auftreten, ebenso wie andere psychische oder sogar körperliche Auswirkungen (Hautschäden bei Waschzwang).
Eine Diagnose lässt sich durch Überprüfung einiger Merkmale stellen. Es erfolgt ein Untersuchungsgespräch zwischen dem Arzt, dem Patienten sowie bisweilen auch den Angehörigen. Die Symptome, die Zwangshandlungen und -gedanken sowie auch frühere Störungen werden erfragt.
Gleichermaßen wird das soziale Umfeld des Betroffenen beleuchtet. Während des Gesprächs erfolgt eine Beobachtung des Verhaltens des Patienten. Um die Symptomatik genau festhalten zu können, kann nach einem Fragebogen vorgegangen werden. Auch eine Untersuchung der körperlichen Situation ist sinnvoll, darüber hinaus auch eine Blutuntersuchung.
Bei einer ganzen Reihe von Störungen können sich Symptome wie bei einer Zwangsstörung zeigen. So muss die anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung abgegrenzt werden, bei dem sich der Betroffene am Zwang nicht stört. Weitere mögliche Alternativdiagnosen umfassen Angststörung, Autismus und Asperger-Syndrom, Tics und Tourette-Syndrom, Psychosen (Schizophrenie). Ferner kommt es bei einer Abhängigkeitserkrankung zu quasi zwanghaftem Verhalten.
Üblich in der Behandlung von Zwangsstörungen ist eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten. Die Behandlung bezweckt, dass der Patient die Zwänge kontrollieren lernt. In sehr schwerwiegenden Fällen kann es notwendig sein, eine Behandlung auf einer Klinikstation vorzunehmen.
Als Psychotherapie bei Zwangsneurosen wird in der Regel eine Verhaltenstherapie vorgenommen. Der Patient trainiert, die Zwangsgedanken oder Zwangstätigkeiten zu unterbinden. Ein typisches Vorgehen ist der Gedankenstopp, der zur richtigen Zeit die zwanghaften Gedanken aufhält. Entspannungsverfahren sind sinnvoll wie Autogenes Training.
Als Medikamente werden Mittel aus der Gruppe der SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) eingesetzt, die zu einer Erhöhung der Konzentration des Botenstoffes Serotonin in den Zellzwischenräumen führen. Antidepressiva können sich ebenfalls eignen.
Als eigene Maßnahme kann der Betroffene die ihm nahestehenden Menschen darüber informieren, dass er die Zwänge hat. Meist erreicht er damit ein größeres Verständnis für seine ungewöhnlichen Handlungen.
Findet keine Behandlung der Zwangsstörung statt, so kommt es immer wieder zu den Problemen, die auch zu- und abnehmen können. Die Therapie (Verhaltenstherapie, Medikamente) führt in einem großen Teil der Fälle zu einer Besserung. Je eher die Therapie begonnen wird, umso besser sind die Erfolgsaussichten. Die Wirkung der Medikamente setzt oft erst nach vielen Wochen ein. Auch wenn häufig kein kompletter Rückgang der Zwänge erreicht werden kann, so können sie deutlich herabgesetzt werden, und der Patient bekommt dadurch mehr Lebensqualität.
Letzte Aktualisierung am 28.05.2021.