Ein Problem vieler Kinder und Jugendlichen sind Verhaltensauffälligkeiten. Betroffene halten soziale Normen nicht ein und rutschen oft in die Kriminalität hinein. Weitere Schwierigkeiten wie Aggressionen treten bei Kindern ebenfalls häufig auf. Ein etwas neutralerer Begriff, der anstatt Verhaltensstörungen verwendet wird, ist das Problemverhalten. Auch wird oft Störungen des Sozialverhaltens dazu gesagt.
Es wird vermutet, dass solche Auffälligkeiten bei Kindern in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Verhaltensauffälligkeiten sind oft die Folge von Persönlichkeitsstörungen. Eine charakteristische Störung ist die dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung. Eine Psychotherapie kann helfen, das Verhalten in den Griff zu bekommen. Ebenfalls müssen die Eltern geschult werden, das Kind richtig zu erziehen und mit ihm umzugehen. Eine spezielle Betreuung kann zudem sinnvoll sein. Manchmal sind Medikamente erforderlich.
Die Ursachen für solche Verhaltensstörungen liegen wahrscheinlich zum großen Teil in einem unvorteilhaften Umfeld begründet. Eine unklare Erziehung mit zu wenig Zuwendung und ohne Aufzeigen der gesellschaftlichen Normen fördert die Entwicklung eines gestörten Sozialverhaltens. Gewalt und Misshandlung kann sich nachteilig auswirken. Weitere Faktoren können aber ebenfalls eine Rolle spielen, beispielsweise die Persönlichkeit des Betroffenen oder Familienmitglieder mit psychischen Störungen.
Die Entwicklung des Kindes verläuft ungünstig. Es erlernt nicht, wie es sich nach den Regeln der Gesellschaft verhalten soll. Die Vererbung spielt wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle bei Verhaltensstörungen.
Kinder und Jugendliche mit solchen Störungen zeigen vielerlei abweichendes Verhalten. Dies kann bei jedem Betroffenen unterschiedlich aussehen. Die Verhaltensauffälligkeiten führen im Allgemeinen zu Problemen im Zusammenleben mit anderen Menschen. Jungen haben die Verhaltensauffälligkeiten wahrscheinlich wesentlich häufiger als Mädchen.
Gelegentliche Auffälligkeiten werden noch nicht als Verhaltensstörung bezeichnet. Wohl jedes Kind oder jeder Jugendliche begeht manchmal Handlungen, die gesellschaftlich nicht erwünscht sind. Wenn diese aber über das übliche Maß stark hinausgehen und ein halbes Jahr oder länger bestehen, liegt eine Störung des Sozialverhaltens vor. Die Grenzen der Störung zur dissozialen oder antisozialen Persönlichkeitsstörung sind fließend. Von vielen Fachleuten wird der Begriff der antisozialen (dissozialen) Persönlichkeitsstörung aber erst im Erwachsenenalter benutzt.
Häufig treten aggressive oder zerstörerische Verhaltensweisen auf. Die Kinder begehen Sachbeschädigung, zündeln, haben manchmal regelrechte Zerstörungswut. Die Aggressionen richten sich häufig auch gegen andere Menschen. So werden oft brutale Handlungen mit möglicher Körperverletzung ausgeführt. Kinder mit Verhaltensstörungen werden nicht selten auch in anderen Beziehungen kriminell, stehlen beispielsweise. Die Störung des Sozialverhaltens beinhaltet auch sonst Handlungen, die den Normen der Gesellschaft und der Familie entgegengerichtet sind. Dies können Aufsässigkeit, übermäßiges Streitsuchen, Missachten von Regeln und Pflichten, Unfolgsamkeit gegenüber den Eltern, Schwänzen der Schule, Lügen oder Abwehrverhalten sein. Dabei zeigen sie sich nicht einsichtig und haben kaum Reue. Die sozialen Kontakte können erheblich unter der Verhaltensstörung leiden. Einige dieser Kinder und Jugendlichen reißen von zu Hause aus.
Manche Betroffene zeigen ein selbstverletzendes Verhalten. Es kann mit dem Abkauen von Fingernägeln über das Ausrupfen von Haaren bis hin zu Schnittwunden in Arme oder andere Körperteile reichen. Des Weiteren können sich Essstörungen entwickeln. Eine Facette der Verhaltensauffälligkeiten kann aber auch sein, dass die Kinder sehr wenig selbstbewusst sind und große Angst zeigen können.
Weitere psychische Störungen können mit einer Depression, Angststörung oder ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) einhergehen.
Eine Diagnose der Störung des Sozialverhaltens wird meist vom Kinder- und Jugendpsychiater anhand verschiedener Kriterien gestellt. Dies geschieht vor allem in einem Untersuchungsgespräch mit dem Arzt, dem Kind oder Jugendlichen und den Eltern. Teilweise werden auch weitere Personen aus dem Umfeld interviewt. Fragebögen können sinnvoll sein. Der Untersucher achtet auf das Verhalten des Patienten. Getestet werden können verschiedene Aspekte der persönlichen Entwicklung oder der Wahrnehmung. Gegebenenfalls kann es notwendig werden, auch andere Untersuchungen vorzunehmen wie aus der Neurologie.
Die anhaltende Störung des Sozialverhaltens muss von vorübergehenden Zuständen unterschieden werden. Die Ursachen für das Verhalten sollten herausgefunden werden. Auch können andere psychische Erkrankungen hinter einem abweichenden Verhalten stecken.
Für Eltern kann der Gang zur Familienberatung wichtig sein. Von dort aus kann gegebenenfalls die Überweisung in eine Behandlung in die Wege geleitet werden.
Schon einfache Maßnahmen können in vielen Fällen zu einer deutlichen Besserung des Verhalten führen. Dazu gehören Veränderungen beim Tagesplan, das Aufstellen von deutlichen Regeln und deren Durchsetzung, aber auch gewisse Zugeständnisse gegenüber dem Kind oder Jugendlichen. So gehört zur Therapie, dass die Eltern geschult werden, wie sie ihr Kind richtig erziehen. Sie trainieren, konsequent und fair eine Belohnung oder Bestrafung einzusetzen und dabei nicht zu harte Maßnahmen zu ergreifen. Sie sollen dem Kind auch Zuwendung und Anerkennung geben. Unter Umständen kann es angebracht sein, Betroffene von bestimmten Bekanntschaften mit starkem negativen Einfluss fernzuhalten. Die individuelle Betreuung durch einen Sozialpädagogen ist häufig von Nutzen. Manchmal kann es sinnvoll sein, die Schule zu wechseln oder das Kind außerhalb der Familie unterzubringen beispielsweise in einem Heim oder einer speziellen Wohngemeinschaft.
Bei einer ausgeprägten Störung des Sozialverhaltens genügt dies manchmal jedoch nicht. Dann kann eine Behandlung mit Aufnahme auf eine Station einer Spezialeinrichtung angezeigt sein. Die Eltern können dann ebenfalls besser geschult werden. Eine Psychotherapie, insbesondere eine Verhaltenstherapie, kann sinnvoll sein. Oftmals wird eine solche psychotherapeutische Behandlung als Familientherapie vorgenommen. Verschiedene Trainings können ebenfalls helfen, um das Sozialverhalten in einen akzeptablen Rahmen zu bringen. Sollte eine begleitende psychische Störung vorhanden sein, wird auch diese behandelt.
Medikamente können gegeben werden, um die Symptomatik zu verbessern. So können Aspekte wie die Aggressivität in Schach gehalten werden. Die Arzneimittel werden jedoch immer nur in Kombination mit anderen Therapiemaßnahmen gegeben.
Die Prognose bei Störungen des Sozialverhaltens ist unterschiedlich. Bei einer frühzeitigen richtigen Erziehung oder Behandlung lässt sich das Verhalten meist in den Griff bekommen. Zumindest zeigt sich das aggressive oder anderweitig abweichende Verhalten nur noch im geringeren Maße. Bei relativ vielen Betroffenen bleibt das unangemessene Sozialverhalten aber auch als Erwachsene noch bestehen (dissoziale/antisoziale Persönlichkeitsstörung). Wahrscheinlich ist die Prognose oft günstiger, wenn Betroffene die Störung erst nach dem 10. Lebensjahr entwickeln.
Letzte Aktualisierung am 01.06.2021.