Eine Bibliotherapie ist eine psychotherapeutische Behandlung, die mit Hilfe von Büchern erfolgt. Eng mit der Bibliotherapie verwandt ist die Poesietherapie. Die Behandlungsgrundlage bildet das Lesen oder Verfassen von Texten. Die beiden Verfahren gehören zu den künstlerisch-kreativen Formen der Psychotherapie. Bei der Bibliotherapie und Poesietherapie kann der Patient Texte schreiben, in denen über die sprachlichen Mittel Probleme aufgedeckt und verarbeitet werden können. In der Bibliotherapie liest der Patient auch Bücher, die in der Regel der Therapeut festlegt. Der Patient setzt sich dabei mit einem Thema auseinander, so dass er neue Erkenntnisse gewinnt und sich verändern kann.
Die Bibliotherapie und die verwandte Poesietherapie können im Prinzip bei allen Arten von psychischen Störungen angewendet werden. Dazu gehören auch psychosomatische Störungen, also psychische Probleme mit körperlichen Symptomen oder Erkrankungen als Auswirkung. Bei persönlichen Krisen eines Menschen oder bei einem Psychotrauma (starke seelische Belastung durch ein schlimmes Lebensereignis) kann die Bücher- und Poesietherapie ebenso nützlich sein. Ein solches therapeutisches Lesen und Schreiben ist eine Methode, die oft einfach dem persönlichen Wachstum und der Selbsterfahrung dient, ohne dass der Nutzer tatsächlich an einer psychischen Störung leidet. Die Bibliotherapie wird deshalb neben der Psychotherapie auch für seelsorgerische Zwecke, zum Stressabbau, zur Sterbebegleitung oder lediglich zur Weiterbildung angewendet.
Die Poesie- und Bibliotherapie hat über die sprachlichen Mittel eine Wirkung auf die Psyche des Menschen. Symptome einer psychischen Erkrankung sollen damit reduziert werden. Der Patient soll vor allem aber selbst lernen, Lebensprobleme zu bewältigen. Grundsätzlich werden zwei Vorgehensweisen der Bibliotherapie unterschieden, nämlich das Lesen und das Schreiben.
Lesen zu therapeutischen Zwecken heißt in der Fachsprache rezeptive (oder angeleitete) Bibliotherapie. Die Bücher sind Ratgeber zur Selbsthilfe oder aber Geschichten, Märchen beziehungsweise dramatische, epische, lyrische Werke. Der Therapeut kann die Texte auch vorlesen. Heutzutage kommen ebenfalls Hörbücher für die Bibliotherapie zum Einsatz. Durch den Inhalt der Bücher bekommt der Patient ein Verständnis für die Grundlagen seiner psychischen Probleme. Er kann Strategien entwickeln, die Schwierigkeiten zu bewältigen.
Das Lesen beziehungsweise Zuhören kann mit einer Gesprächstherapie oder Maltherapie kombiniert werden (Adjuvant symbolische oder induktive Bibliotherapie). Dadurch wird es dem Patienten ermöglicht, sich selbst kreativ zu betätigen und seine Gefühle und Probleme auszudrücken.
Schreiben zu therapeutischen Zwecken wird als expressive oder kreative Bibliotherapie bezeichnet. Der Patient kann erfundene Ereignisse als Thema nehmen oder autobiographisch schreiben. Bei der Poesietherapie handelt es sich genauer um das Schreiben von Gedichten. Der Patient darf ganz frei schreiben, welche Gedanken ihm durch den Kopf gehen oder wie er den Text gestalten will. Das Verfassen von Texten oder Lyrik bietet dem Patienten eine Möglichkeit, sich kreativ mit den Problemen auseinanderzusetzen und seine Seele regelrecht zu entlasten. Der Patient kann über die Schwierigkeiten nachdenken, was es ihm ermöglicht, sie letztendlich zu bewältigen.
Die Bibliotherapie erfolgt oft als Maßnahme zwischen den Sitzungen einer anderen Psychotherapiemethode. Als Integrative Poesie- und Bibliotherapie ist die Methode ein Bestandteil eines psychischen Behandlungskonzeptes, bei dem mehrere Ansätze miteinander verbunden werden. Ansonsten gibt es kein genaues Ablaufschema der Therapieform.
Zum therapeutischen Lesen legt der Psychotherapeut dem Patienten ein Buch nahe, das der Betroffene selbst durchliest. Der Therapeut bespricht den Inhalt des Buches in den Sitzungen mit dem Patienten. Das kann in einem Einzelgespräch, aber auch in einer Therapiegruppe geschehen.
Die Bibliotherapie kann als Maßnahme zum persönlichen Wachstum auch ohne einen Therapeuten durchgeführt werden.
Spezifische Probleme der Bibliotherapie sind kaum bekannt. Über die Risiken wurden bisher nicht genügend Untersuchungen durchgeführt. In Einzelfällen kann es durch eine Auseinandersetzung mit schwierigen emotionalen Themen oder durch missverständliche Inhalte zu einer Verschlechterung des seelischen Zustandes kommen. Ein Problem kann auch sein, dass Texte zum Lesen nicht gezielt auf einen Patienten zugeschnitten werden können.
Die Bibliotherapie ist eine alternative Heilmethode, deren Wirkung bisher nicht ausreichend in Studien belegt werden konnte. Bei einigen psychischen Störungen zeigt sich oft eine Besserung durch die Bibliotherapie bei Depressionen, Essstörungen oder Hyperaktivität (ADHS, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung). Besonders effektiv ist die Behandlung, wenn der Patient sich selbst aktiv mit der Bewältigung der psychischen Störung befasst. Die Bibliotherapie kann vor allem als Unterstützung einer anderen Psychotherapie sinnvoll sein. Bei manchen Patienten ist die Therapie dagegen erfolglos, oder es bestehen sogar Gegenanzeigen wie bei einer akuten schweren psychischen Erkrankung.
Bei ernsthaften psychischen Störungen sollte die Bibliotherapie nicht das einzige Mittel bleiben. Sinnvoll können verschiedene andere psychotherapeutische Methoden sein beispielsweise aus der Verhaltenstherapie oder der Psychoanalyse. Das richtet sich auch nach der Störung des Patienten.
In aller Regel zahlen die Krankenversicherungen die Kosten für eine Bibliotherapie nicht, weshalb sich der Betroffene zuvor nach den finanziellen Aspekten erkundigen sollte.
Letzte Aktualisierung am 25.05.2021.