Eine körperliche Untersuchung ist in der Psychiatrie unerlässlich. Der hauptsächliche Grund dafür ist, dass psychische Störungen fast aller Art auch durch körperliche Erkrankungen verursacht sein können. Umgekehrt können psychiatrische Erkrankungen körperliche Veränderungen beziehungsweise Symptome nach sich ziehen. Ein Schwerpunkt der körperlichen Beurteilung in der Psychiatrie ist die neurologische Untersuchung (Untersuchung der Nervenfunktionen). Aufgrund der möglichen Ursache einer Schädigung im Gehirn besteht ein besonders enger Zusammenhang zwischen neurologischen Krankheiten und psychischen Störungen.
Die allgemeine körperliche Untersuchung gehört ebenso wie die neurologische (nervenheilkundliche) Untersuchung zu den grundlegenden diagnostischen Methoden in der Psychiatrie. Sie werden in einem gewissen Ausmaß bei jedem Patienten vorgenommen, der zu einem Psychiater kommt. Psychische Störungen können nämlich in einem engen Zusammenhang mit organischen Symptomen oder Erkrankungen stehen. So können körperliche nachweisbare Krankheiten sich in psychischen Erscheinungen ausprägen. Umgekehrt kann eine psychiatrische Störung dazu führen, dass es zu Symptomen oder gar echten Krankheiten am Körper des Betroffenen kommt. Zudem ist die körperliche Untersuchung auch deshalb wichtig, da sich der Patient mit einer bestimmten psychischen Störung am Körper selbst Schäden zufügen kann. Außerdem kann vor einer möglichen Medikamentengabe abgeklärt werden, ob es körperlich bedingte Gegenanzeigen gibt.
Die körperliche Untersuchung eines psychiatrischen Patienten entspricht im Wesentlichen der Untersuchung bei anderen Ärzten. Deshalb wird sie manchmal auch vom Hausarzt durchgeführt, der den Befund dann an den Psychiater weiterleitet.
Die körperliche Untersuchung beginnt mit der Betrachtung (Inspektion). Der Arzt beurteilt den allgemeinen körperlichen Zustand sowie auch ein mögliches Übergewicht oder Untergewicht und die Hygiene. Der Arzt überprüft die lebensnotwendigen Organe und Funktionen. Dazu werden Blutdruck und Puls gemessen, die Atmung beurteilt und das Herz sowie die Lunge abgehorcht. Bestimmte Erkrankungen machen sich beim Abhören mit dem Stethoskop mit spezifischen Geräuschen bemerkbar. Der Arzt kann auch die Lunge abklopfen.
Die Haut muss ebenso auf Auffälligkeiten hin beurteilt werden. Der Kopf wird untersucht, hier werden unter anderem die Augen mit der Pupillenfunktion sowie der Mund inspiziert. Die Bauchorgane werden grob durch Abtasten und durch Abhören beurteilt. Weiterhin wird das Bewegungssystem des Patienten untersucht. Hier werden die Muskeltätigkeiten, die Körperhaltung und die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Gelenke geprüft.
Je nach dem Befund kann die körperliche Untersuchung abweichend sein und ausgeweitet werden, um bestimmte Auffälligkeiten genauer beurteilen zu können.
Die neurologische Untersuchung ist die Beurteilung der Funktionen des Nervensystems. Schäden sowohl des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) als auch der Körpernerven können mit der Untersuchung erkannt werden. Meist hat der Arzt einen bestimmten Untersuchungsgang, den er bei jedem Patienten anwendet.
Der Neurologe oder Psychiater kontrolliert die Hirnnerven, also die zwölf Nerven auf jeder Seite, die direkt aus dem Gehirn kommen. Dazu werden Funktionen wie Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln und Augenmuskeln, die Sehschärfe, der Hörsinn, die Sensibilität im Gesicht und der Gleichgewichtssinn geprüft. Im Gesicht werden die Nervenaustrittspunkte auf Schmerzhaftigkeit getestet. Aus neurologischer Sicht wird das Bewegungssystem mit verschiedenen Tests beurteilt. Lähmungen können ausfindig gemacht werden, und Probleme mit der Körperkoordination können zum Vorschein kommen. Die wichtigsten Reflexe werden geprüft. Die Sensibilität an unterschiedlichen Körperstellen auf Reize wie Berührung, Schmerz und Temperatur wird kontrolliert.
Weitere Untersuchungen, die die Nerven betreffen, finden sich in der grundlegenden körperlichen Untersuchung oder in der psychiatrischen Untersuchung (unter anderem die psychischen Funktionen) wieder.
Die körperliche beziehungsweise neurologische Untersuchung ist in den allermeisten Fällen ungefährlich. Bei manchen Patienten kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn sie sich gegen die Untersuchung wehren oder aus psychischen Gründen (z. B. nach einer Vergewaltigung) besonders empfindlich gegenüber einer körperlichen Begutachtung sind.
Die körperliche Untersuchung und die neurologische Untersuchung gehören zum grundlegenden Untersuchungsgang in der Psychiatrie. Hierzu zählen auch das Arzt-Patienten-Gespräch, die Beurteilung des Verhaltens des Patienten sowie bestimmte Testverfahren. Die einfache körperliche Grunduntersuchung wird sehr häufig ergänzt durch Laborkontrollen und durch Gerätediagnostik (Messung der Hirnströme, bildgebende Untersuchungen).
Letzte Aktualisierung am 28.05.2021.